Auf der Veranda stehen Koffer - aus Schweinsleder, Krokodilleder sowie ein
kleiner...brrr! ... ich glaube, aus Hundeleder. Im Vorgarten tanzen die gelben
Blätter Foxtrott.
Ich laufe zum Ozean: „Lebe wohl!“ ...“Bums!“, fi, wie unhöflich:
ich verabschiede mich, und er spritzt mir Wasser ins Gesicht.
Von den Umkleidekabinen aus Stoff ist nur eine Rippe zurückgeblieben. Der
Himmel hat die Farbe eines schmutzigen Hündchens. Die Astern lassen ihre
Köpfe hängen: langweilig ist ihnen. „Lebt wohl, auf Wiedersehen! Seid ihr
auch ohne Duft, nie, nie werde ich Euch vergessen...“
Ich verabschiede mich vom Wald, aber er versteht das wohl nicht und rauscht
und schwatzt darauf los ... Was bedeutet ihm schon ein kleiner Foxterrier!
Ich verabschiede mich von der Holzbude. Ihr ist auch langweilig. Die Saison
ist beendet, aber die faulen Fischinnereien noch nicht ausverkauft.
Die ganze Zeit stehen mir die Koffer vor Augen und belasten mein Gemüt.
Sina tut ernst wie ein bestrafter Papagei. Größer geworden, braungebrannt.
Im Kopf Schule, Freundinnen und Vokabeln - mich hat sie kein
einziges Mal angeguckt.
Brauch’ ich auch nicht! - Mir doch egal!
Was ist das schon für eine Liebe, für nur eine Saison?
Werde ich mich hier in Paris einfach mit irgendwelchen anständigen
Foxterriern befreunden - wenn sie mir nicht „spanisch vorkommen“
(ich liebe es, dumme menschliche Phrasen zu wiederholen!)...
***
Angekommen. Gekommen. Ekommen. Kommen. Ommen. Men.En.
Das habe ich mit Absicht geschrieben, sonst wären mir die Pfoten
eingeschlafen.
Das Schoßhündchen der Concierge betrachtete mich von der
Türschwelle aus und wandte sich ab. Was eine Herzogin!
Na gut, ich kann mich auch aufplustern. Sie brauchen mich
nur zu einer Hundeausstellung zu fahren,um dort die
allererste Goldmedaille zu gewinnen, und du, in deiner
Portiersbude, platz doch vor Neid.
Überhaupt nicht mehr an Möbel gewöhnt. Hier ein Bufett,
dort ein halbes, das Bett so breit wie ein Dampfer, da braucht
man ja ein Leiterchen, um hinaufzuklettern.
Alles Unsinn. Jetzt wollen sie auch noch unten beim Trödler
eine alte Kommode kaufen! Aus rotem Holz.
Von mir aus auch lila - sei’s d’rum!
Ach, wie eng ist es in der Wohnung! Den Horizont vor der Nase,
drei Vasen sind der Wald - ‘rüberspringen kann man, aber nicht
drin herumhüpfen.
Sina ist in der Schule, studiert irgendwelche Tropen.
Die Köchin ist verärgert und schmiert sich ständig die Lippen ein.
Irgendwann fress ich deinen Lippenstift auf, kannst du
mit weißen Lippen herumlaufen...
Die braunen Blätter auf dem Balkon rollen sich zusammen und rascheln.
Ein Spatz hat sich angewöhnt, bei uns vorbei zu fliegen. Ich habe ihm
ein Brötchen aufgebröselt, und er hüpft vor meiner Nase herum und pickt.
Gestern habe ich aus Langeweile mit ihm geplaudert.
„Wo wohnst du denn, Vögelchen?“
„Na, überall“
„Wie, überall? Hast du Mama und Papa?“
„Mama wohnt in einem anderen Viertel, Papa ist nach St.Cloud geflogen“
„Was machst du denn ganz allein?“
„Herumhüpfen. Fliege über die Plätze, sitze auf Zweigen. Hier bin ich wegen
dir, fütterst mich mit Krümelchen. Sehr gut.“
„Ist dir nicht kalt? Ist doch schon Herbst...“
„Dummkopf, ich habe doch überall Flaum. Tschiwik! An der Ecke streiten
sich Spatzen ... he - he, wartet! Ich möchte mich auch kabbeln...“
Fuch - und weggeflogen. Ach herrje, warum habe ich keine Flügel?
***
Ich zittere und zittere, aber das hilft nichts. Gestern hat die Zentralheizung
gezischt, ich konnte gerade mal meinen Rücken wärmen, und dann war
Schluss. Nur ein Test. Erst in zwei Wochen wird sie für den Winter angestellt.
Zwei Wochen soll ich noch zittern?!
Immer möchte ich schlafen. Tagsüber schlafe ich, abends schlafe ich,
nachts - schlafe ich auch. Sina behauptet, ich hätte die Schlafkrankheit.
Mama sagt, das sei das Hundealter. Die Klavierlehrerin vermutet, ich hätte
die Pest...Wuff! So viele Krankheiten bei nur einem Hund?
Aber ich bin einfach nur schwermütig. Auf euren Herbst und Winter in einer
Wohnung mit roten Kommoden kann ich gut verzichten.
Mein Schreibheft geht auch zu Ende. Kein Platz mehr zum Schreiben ...u -u!
Wäre ich ein Bär, verschwände ich im Wald, legte mich in meine Höhle,
tauchte meine Pfoten in Honig und könnte bis zum Frühling an ihnen
lutschen.
Heute fiel ein Stückchen Sonne auf den Balkon: ich habe mich hineingelegt,
aber sie ist unter mir verschwunden - ach herrje!
Ich darf nicht vergessen, meinen gestrigen Traum aufzuschreiben: Mir war,
als ob wir, also ich und der Rest der Familie, nach Süden, nach Cannes
führen. Gehab’ dich wohl, winterliches Paris! Sina und Mama waren,
glaube ich, zum frühstücken in den Speisewagen gegangen, Papa
eingeschlafen (im Zug schläft er immer), und ich grämte mich.
Warum hatten die beiden mich nicht mitgenommen?
Aber dann war mir, als hörte ich aus der Reisetasche so ein
widerliches Katzenstimmchen maunzen: „Weil Hunde im Speisewagen
verboten sind.Katzen dürfen natürlich überall hin, aber Hunde -
ooch, die müssen draussen bleiben!“
Da bin ich wütend geworden, habe mich in die Reisetasche
verbissen und... erwachte.
***
Habe meine Seiten noch einmal durchgeblättert. Was wäre,
wenn sie irgendwer drucken würde? Mit meinem Porträt
und meiner Unterschrift? ...
Mein Büchlein könnte in die Pfötchen irgendeines Mädchens
mit grünem Kleidchen geraten... sie würde mit meinem Werk
am Kamin sitzen, lesen, blättern und lächeln.
In jedem Haus, wo es nur kleine Füßchen - mit und ohne
Schleifchen - gäbe, wäre mein Name bekannt: Mikki!
Sina schläft, die Uhr tickt. Die Concierge schnarcht -
ohgott, das höre ich durch den Fußboden.
Auf Wiedersehen Tagebuch, auf Wiedersehen Sommer,
auf Wiedersehen Kinder - Jungs und Mädchen,
Papas und Mamas und Opas und Omas...
möchte anfangen zu weinen, stattdessen muss ich niesen.
Ich setze hier einen großen, großen Punkt.
Wuff. Schon wieder beißen mich Flöhe.
Sogar in diesem ergreifenden Moment ... Hunde, blutsaugende!!
Freund aller Kinder,
der bescheidene und schläfrige
Fox Mikki