Kapitel 1

Über Sina, über Essen, über Kühe und dergleichen

Ich sage: Mein Frauchen Sina ist einem Foxterrier ähnlicher als einem Mädchen - sie kreischt, hüpft, fängt Bälle mit der Hand (mit dem Mund schafft sie es nicht) und knabbert Zucker - ganz wie ein junger Hund.

 

Ich habe schon überlegt - hat sie vielleicht auch ein Schwänzchen? Immer läuft sie in ihren Mädchenklamotten herum; und ins Badezimmer lassen sie mich nicht - sonst würde ich mal nachgucken.

 

Gestern Abend gab sie an: guckma, Mikki, wieviele Schulhefte ich habe: Rechnen - Diktat - Aufsätze... und du, unglückliches Kerlchen, kannst nicht sprechen, nicht lesen, nicht schreiben.

 

Wuff! Denken kann ich aber - und das ist doch die Hauptsache. Was ist wohl besser: ein Foxterrier, der denken - oder ein Papagei, der sprechen kann?

Aha.

 

Ein bisschen kann ich auch lesen - Kinderbücher mit riesigen Buchstaben. Und schreiben - lacht nur, lacht nur (obwohl eigentlich kann ich das nicht leiden, wenn Leute über mich lachen!) - schreiben habe ich ebenfalls gelernt. Klar, die Finger an meinen Pfoten kann ich nicht biegen - bin doch kein Mensch oder Affe. Dafür nehme ich den Stift in den Mund, stelle eine Pfote aufs Heft, damit es nicht verrutscht - und schreibe.

 

Anfangs sahen die Buchstaben aus wie zertretene Regenwürmer. Aber Foxterrier sind bei weitem fleißiger als kleine Mädchen. Jetzt schreibe ich nicht schlechter als Sina. Nur den Bleistift anzuspitzen schaff´ ich nicht. Ist er stumpf geworden, schleiche ich mich leise ins Kabinett und stiebitze den Leuten ihre schon angespitzten kleinen Stummel.


***

 

Hier setze ich 3 Sternchen. Das habe ich in Kinderbüchern gesehen: wenn der Mensch 1 Sprung tut, zu 1 neuen Gedanken, dann setzt er 3 Sternchen.

 

Was ist das Wichtigste im Leben? Essen. Ich sage: Machen wir uns nichts vor! Wir haben das Haus voller Leute. Sie quatschen, lesen, heulen, lachen - und dann setzen sie sich zum Essen. Gegessen wird morgens, gegessen wird mittags, gegessen wird abends. Und Sina isst sogar noch nachts - versteckt unterm Kopfkissen Kekse und Schokolade und knabbert heimlich.

 

Und wie viel sie essen! Und wie lange sie essen! Und wie oft sie essen! Und behaupten dann noch, ich sei ein Vielfraß... Werfen mir 1 Knöchelchen vom Kalbskotelett hin (das Kotelett haben sie selbst gefuttert), gießen mir eine halbe Untertasse Milch ein - und das war´s.

Ich sage: Beschwere ich mich vielleicht? Bitte ich vielleicht um Nachschlag, wie Sina und die anderen Kinder? Esse ich vielleicht Süßes: diesen Kleister, den sie Wackelpudding nennen? Trinke ich dieses schwarze Gesöff aus Zucker und Lakritze? Oder lecke dieses widerliche kalte Zeuch, das sie Eis nennen?

Ich bin besser erzogen als andere Hunde, und wählerischer, weil ich ein Foxterrier aus guter Zucht bin.

Ich knabbere an meinem Knöchelchen, verspeise die Kekse, die ich ganz vorsichtig aus Sinas Hand schnappe, und das war´s.

 

Aber sie dagegen... wozu diese Suppen? Gibt es denn kein wohlschmeckendes, klares Wasser? Wozu Erbschen, Möhrchen, Selleriechen und ähnliche Scheußlichkeiten, mit denen sie den Braten verderben?

Wozu überhaupt kochen und braten?

Neulich habe ich ein Stückchen rohes Fleisch probiert (das in der Küche auf den Boden gefallen war und mir von Rechts wegen zustand!)... ich sage: das hat 1000mal besser geschmeckt als alle Koteletts, die in zischendem Fett in der Pfanne gebadet wurden...

 

Wie schön wäre das, würde nicht mehr gekocht und gebraten: dann gäb´s auch keine Köchin: die hat nämlich keine Ahnung, wie sie mit anständigen und wohlerzogenen Hunden umzugehen hat.

 

Gegessen würde dann auf dem Fußboden, ohne Geschirr - das fände ich lustig. Sonst sitze ich immer unter dem Tisch, zwischen fremden Füßen. Stoßen tun sie mich, auf die Pfoten treten sie mir. Sehr witzig, kannst Du Dir vorstellen!...

 

Oder, noch besser: wir essen auf dem Rasen, vor dem Haus. jeder kriegt 1 rohes Kotelett. Und nach dem Mittagessen toben alle miteinander herum und kreischen, so wie Sina jetzt mit mir... wuff-wuff!

 

Also ich werde Vielfraß genannt (wenn ich ein kleines Schlückchen Milch aus der Katzenuntertasse schlecke, stell´Dir vor)... und selber...

nach der Suppe, nach dem verkochten Kram, nach dem Kompott, nach dem Käse - da trinken sie noch diese bunten Sachen: rote - das ist Wein, gelbe - das ist Bier, schwarze - das ist Kaffee. Wozu? Ich, unter´m Tisch, gähne, bis mir die Tränen kommen und möchte, wie es meine Art ist, zwischen den Leuten herumspringen. Aber die sitzen, sitzen, sitzen... wuff!.. und alle reden, reden, reden, als ob in jedem Bauch ein Grammophon dudelte.

 

                                                    ***

 

3 Sternchen. Neuer Gedanke. Unsere Kuh -  ist doof.
Ich sage: Warum nur gibt sie derart viel Milch? Sie hat doch nur einen Sohn - das Kälbchen, aber sie füttert das ganze Haus. Und um derart viel Milch zu
geben, frisst sie den ganzen Tag, frisst und frisst ihr Gras, daß einem vom
Zusehen schon schlecht wird.

Ich würde das nicht aushalten. Warum gibt denn unser Pferd nicht soviel
Milch? Warum füttert die Katze ihre Kleinen und kümmert sich sonst um
niemanden?

Na, kann so ein Gedanke vielleicht einem sprechenden Papagei einfallen?

Und weiter. Warum legen die Hühner derart viel Eier? Das ist ja fürchterlich.
Niemals sieht man sie lachen, laufen herum wie schlaftrunkene Brummer,
zu fliegen haben sie überhaupt verlernt, singen nicht wie die anderen Vögel...
das ist alles wegen dieser unheilvollen Eier.

Ich kann Eier nicht ausstehen. Sina auch nicht. Wenn ich mich mit den
Hühnern verständigen könnte, würde ich ihnen abraten, derart viele Eier zu legen.

Wie schön ist es doch, ein Foxterrier zu sein: ich muss keine Suppe
essen, muss nicht auf dieser verfluchten Kiste Musik spielen, über die Sina
ihre Finger laufen lässt, und ich gebe keine Milch „etcetera pp.“, wie Sinas
Vater immer zu sagen pflegt.

Krrk. Bleistift abgebrochen. Jetzt heisst es vorsichtig schreiben: das Kabinett
ist abgeschlossen, und dort liegen alle Stifte.

Nächstes Mal werde ich ein Hundegedicht schreiben - das interessiert mich
außerordentlich.

Fox Mikki
Erster Hund, der schreiben kann